Agilio will ersten Inklusionsbetrieb einrichten / EBB investiert hohen sechsstelligen Betrag für Umbau
Emden. Nach zweieinhalb Jahren Leerstand in der Sparkassenzeile am Delft kommt jetzt Leben in die Räumlichkeiten, die zuletzt ein Bernsteinmuseum, davor lange Jahre ein Fitnesscenter und noch davor die Kneipen Wicküler am Delft und Purzelbaum beherbergt haben. Die Arbeitsgemeinschaft für integrative Leistungen in Ostfriesland (Agilio) will dort den ersten gastronomischen Inklusionsbetrieb in der Region einrichten, außerdem Büroräume mieten. Die Hausbesitzerin, die Sparkassentochter Emder Bau- und Boden GmbH (EBB), lässt dafür das gesamte Haus für einen hohen sechsstelligen Betrag umbauen.
„Die Delftfront wird wieder attraktiver gestaltet, der Leerstand ist beendet”, sagte EBB-Geschäftsführer Gerhard Ludolph. Er stellte aber auch fest: „Wir investieren hier nicht in einen Gastronomiebetrieb, sondern machen das Gebäude wieder nutzbar.” Auf 300 000 Euro schätzt Agilio-Geschäftsführer Dieter Peters die Kosten für die Inneneinrichtung und Küche, die er auch über Fördergelder beim Integrationsamt für zentrale soziale Aufgaben in Hildesheim und der N-Bank einwerben will. Dort sei die Geschäftsidee als Inklusionsbetrieb eingereicht, erste Gespräche vielversprechend verlaufen. Inklusionsbetrieb bedeutet, dass zwischen 30 und 50 Prozent der Angestellten Menschen „mit ausgeprägten Vermittlungshemmnissen” sein müssen, der Betrieb ansonsten den Regeln des ersten Arbeitsmarktes unterworfen ist.
Laut Peters gibt es in Norden einen Metallbaubetrieb dieser Art, ansonsten findet sich der nächste erst in Nordhorn. „Wir eröffnen den ersten gastronomischen Inklusionsbetrieb in der Region”, sagte Peters.
Der Geschäftsführer ist überzeugt, dass sich der Inklusionsbetrieb und insbesondere die gastronomische Idee an dieser zentralen Innenstadtlage durchsetzen wird. „Voraussetzung ist natürlich, dass das Essen hier schmeckt”, sagte Peters. „Niemand soll kommen, weil hier Behinderte arbeiten.”
Die Gastronomie trägt den Arbeitstitel „Leckerpott”. Sie soll sich vorrangig auf das Tagesgeschäft konzentrieren, also Frühstück, Mittagessen und Kaffee und Kuchen anbieten, sagte Peters. Er sieht schon deshalb keine Probleme in der Gastronomie-Dichte zwischen Hafenhaus und Feuerschiff und weiteren Restaurants, weil es kein à-la-Carte-Geschäft am Abend geben soll. Der Focus läge auf einem preiswerten Mittagstisch am Rande des Behördenviertels und bodenständiger, regionaler Küche auch für Tagestouristen. Vier bis fünf Tagesgerichte, Fisch, Vegetarisches und „Speckbohnen oder Hackbraten”, sagte Peters. Für größere Gesellschaften oder Tagungen sei aber auch das Menü am Abend möglich. Außerdem werde im Parterre ein Kiosk-Geschäft für den Imbiss außer Haus eingerichtet. Das Erd- und erste Obergeschoss werden zu Gasträumen, die Küche wird im Parterre des Hauses Nummer 4 bis 5 eingerichtet. Das erste Obergeschoss soll variabel nutzbar werden - mit bestem Blick auf den Delft. Im Keller sind Umkleiden und Lagerräume geplant.
Die Eröffnung ist für Frühjahr 2019 anvisiert. Bis dahin sollen die Planungen des Architektur- und Ingenieurbüros Beyer, Freitag und Zeh umgesetzt sein. Und die sind aufwendig, weil der Umbau unter anderem die neuen Brandschutzbestimmungen berücksichtigen muss. Im Innenhof wird für den zweiten Fluchtweg ein zusätzliches Treppenhaus und ein behindertengerechter Aufzug angebaut. Für Agilio werden 700 Quadratmeter, verteilt auf drei Etagen plus Keller, ausgebaut. Die beiden obersten Geschosse, in denen die Reedereien Elbracht und Wessels Mieter sind, bleiben innerlich unberührt. Auch das Sonnenstudio im Erdgeschoss soll bleiben.
Äußerlich wird sich laut dem leitenden Planer Karl-Heinz Ahrenholtz auch einiges verändern. Die weißen Kunststoffpaneele werden durch Verblendmauerwerk und verspiegeltes Glas ersetzt, ein ähnliches Erscheinungsbild wie am Sparkassenneubau in der Auricher Straße oder der geplanten Sanierung der Verwaltungsgebäude-Fassade wird entstehen. „Alles wird energetisch aufgewertet und gedämmt”, sagte Ahrenholtz.
Peters freut sich, „dass sich die EBB auf die Zusammenarbeit eingelassen hat”. Agilio, das zwölf bis 16 Arbeitsplätze im Leckerpott schaffen will, betreibt gastronomisch darüber hinaus das Kulturcafé im Pelzerhaus, die Kantine in der Arbeitsagentur, das Hafenbistro im Gründerzentrum, das Café Mozart im Awo-Altenheim in Barenburg, außerdem noch die Mittags-Verpflegung in neun Schulen in Emden, fünf in Ihlow und sechs Kitas in Emden. 245 Beschäftigte arbeiten bei Agilio in 150 Vollzeitstellen.
Von Stephanie Schuurman
@ Emder Zeitung, 24. März 2018, Bild: Beyer, Freitag und Zeh