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Geht nicht? Gibt's nicht!

Geht nicht? Gibt's nicht!

In der Brückstraße hatte das Emder Repair-Café Premiere. Die Tüftler schraubten, hämmerten und löteten fast pausenlos.

Emden. Erwachsene kennen das Ding als Höllenmaschine. Für den vierjährigen Mattes aber ist er bestimmt eines der besten Stücke aus seiner Spielzeugsammlung. Sonst hätte er ihn ja auch nicht mitgebracht, den kunterbunten Kinder-Kassettenrekorder mit angehängtem Mikrofon. Das ultimative Einstiegsmodell in die Welt der Soundsysteme ist kaputt. Tilman Neune, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Elektrotechnik der Hochschule, soll es reparieren. Wird er es schaffen?

Um Neune und seinen kleinen „Kunden” ist großes Gewusel. Menschen strömen herein, tragen Gerätschaften in Tüten, Kartons oder unterm Arm. Das erste Emder Repair-Café hat Premiere in den Räumen von Agilio in der Brückstraße. Die so simpel wie genial anmutende Idee, vermeintlich irreparable Dinge ehrenamtlich wieder instandzusetzen, um der Wegwerfgesellschaft etwas entgegenzusetzen, finden offensichtlich viele Emder bestechend.

Rund 40 Reparateure zählt der Repair-Pool der Organisatoren inzwischen. Und ein gutes Drittel von ihnen sitzt an diesem Samstag vier Stunden lang an den bereitgestellten Tischen - und an einem Computer, um verschollene Schaltpläne oder Bedienungsanleitungen ausfindig zu machen. Schraubendreher, Seitenschneider, Kombizangen, Heißluftpistolen liegen herum. Manchmal fehlt etwas. Ein Problem ist das nicht. „Wer braucht noch 'was? Soll mein Mann noch etwas von zu Hause mitbringen?”, ruft eine Frau in den Raum.

Unter den Bastlern sind ausgewiesene Fachleute wie der Radio- und Fernsehtechniker Heinz Hugen, aber auch Menschen, die ein Faible für technische Probleme und deren Lösungen haben, wie Hochschul-Professor Klaus Scharfenberg.

Heinz Hugen lässt das Lötgerät kräftig dampfen. Kontaktherstellung ist das A und O, wenn der Strom wieder fließen soll. Hugens „Patient” ist die defekte Leuchte eines Badezimmer-Spiegelschranks. Ein kleiner Verbindungsstecker ist durchgeschmort und das Drumherum gleich mit. Improvisation ist gefragt, denn die kaputten Zubehörteile gibt es nicht mehr.

Walter Lennartz, aus dessen Bad die Leuchte stammt, hat sich vorher erkundigt: „Das sind Zukaufteile, und die gibt es nicht mehr, hat mir der Hersteller des Spiegelschranks mitgeteilt.” Wollte Lennartz also wieder einen komplett beleuchteten Schrank haben, müsste er sich einen neuen kaufen. Hugens Lösung: Unterstützt vom früheren Fertigungschef der Nordseewerke, Wolfgang Hildebrandt, verbindet er die beiden Kabel direkt mit der Halogenlampe, stülpt einen Schrumpfschlauch darüber, der sich durch Heißluft eng an Kabel und Lampenkontakte schmiegt. Die Konstruktion ist zwar nicht perfekt, räumt Hugen ein, weil die Lampe nicht mehr ganz in die Fassung passt. „Aber es sollte wieder funktionieren.” Walter Lennartz ist zufrieden: „Wunderbar!” Auch seine drahtlose Computermaus wird er später voll funktionstüchtig wieder mitnehmen. Da mussten nur die Kontakte gereinigt werden. Ein Klacks.

Wesentlich widerspenstiger dagegen gebärdet sich ein Aktenvernichter vom Verein „Das Boot”, einem der Mitorganisatoren. Das Schnitzelwerk läuft nur noch rückwärts, zieht also kein Papier mehr ein. Klaus Scharfenberg hat es fast geschafft. Der Deckel des Geräts hängt nur noch an einer Stelle fest. Ein unsichtbarer Haken? Eine versteckte Klemme oder Schraube? Bleibt am Ende brachiale Gewalt das einzige Mittel? Der hellgraue Kasten wird wiederholt gewendet und von allen Seiten untersucht. Der Reparateur fährt mit dem Finger über ein Klebeschild an der Unterseite. „Da ist sie!” Das Schild verdeckt die entscheidende Schraube. Also Deckel ab und das Schnitzelwerk mit der Pinzette von den verstopfenden Papierresten befreien. Fertig! Der Papier- und Datenschredder ist wieder bereit und Sabine Semken von „Das Boot” glücklich. „Super!”

Super finden Semken und Jann Gerdes (Stadt Emden) auch den Start des Repair-Cafés in Emden. Seite an Seite mit drei weiteren Partnern - Agilio, evangelisch-reformierte Gemeinde, Hochschule Emden/Leer - haben sie den Auftakt organisiert. Dazu gehören auch Kaffee und Kuchen, womit Besucher und Tüftler in einem Nebenraum versorgt werden.

Gerdes schätzt die Reparatur-Erfolgsquote an diesem Nachmittag auf 70 Prozent. Mehr als zwei Drittel der ursprünglich kaputten Teile versehen weiter ihren Dienst. Das ist ganz im Sinne des Nachhaltigkeitsgedankens, der hinter der mittlerweile internationalen, in den Niederlanden ins Leben gerufenen Aktion steckt.

„Was die Sache so reizvoll macht, sind die verschiedenen Aufgaben, mit denen wir es zu tun haben”, sagt Heinz Hugen und fährt mal kurz nach Hause, um Holzleim und eine Schraubzwinge zu holen. Wolfgang Hildebrandt bereitet derweil eine aus dem Leim gegangene Fußbank vor.

Und der Kinder-Kassettenrekorder? „Dafür wird ein Ersatzteil benötigt”, sagt Tilman Neune. Das Problem sitzt an der Steckerbuchse für das Netzteil. Mattes stimmt das nicht besonders traurig. Er baut sich stattdessen am Rande des Trubels seine kleine Legowelt. Und es besteht ja noch Hoffnung für seine „Höllenmaschine”. Von Axel Milkert
Nächstes Repair-Café: Samstag, 16. März.

@ Emder Zeitung vom 21. Januar 2019, Bild: Axel Milkert

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